Filmzyklus Peter Liechti

































Um überhaupt einen Film zu­ ma­chen, muss man schon sehr mutig sein – oder sehr dumm. In diesem Sinne sind alle gu­ten Filme auch mutige Filme. «Radikalität» kann schnell zum Selbstzweck mutieren; ich bevorzuge deshalb den Begriff «konsequent»
Peter Liechti (1951-2014)

Februar und März 2014 präsentierte hier artfilm.ch jede Woche einen Film von Peter Liechti auf Video on Demand.

Wenn ich an den Film denke, der im Atelier auf mich wartet, so kommt er mir tausend Mal wirklicher vor als alles, was es da zu sehen gibt vom Spitalfenster aus. Die Bilder werden sich immer mehr überschneiden. Sie erzeugen eine neue Vision von dem, was mich künstlerisch noch etwas angeht. Ob ich das Tempo mithalten kann, ist die andere Frage.
Peter Liechti

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«Um Himmels Willen – das sind Fragen!», sagt die Mutter, als der Sohn das Gespräch eröffnet; über Jahrzehnte war man sich ausgewichen. «Wenn man hat, was man gerne mag – was willst du noch mehr? Ein normales Leben, könnte man sagen. Ein ganz normales Leben.»
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«Der dramatische Monolog des Selbstmörders X ist an niemanden gewandt, ist weder deskriptiv noch retrospektiv, sondern ganz auf den Moment bezogen. Da ist kein Lamento, kein Selbstmitleid, keine Sentimentalität, im Gegenteil, manchmal scheint gar eine unterschwellige (Selbst-)Ironie durch. Der Text drängt einem nichts auf, vertritt keine Moral und verzichtet auf jede Wertung; gerade dadurch trifft er sehr direkt.»
Peter Liechti

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«Ich liebe die Musik von Koch-Schütz-Studer - für mich die grossartigste Gruppe im Lande! Es ist mir ein Bedürfnis, diese farbige, zugleich brachiale und feinnervige Musik einem breiteren Publikum näherzubringen, das noch immer Berührungsängste zeigt mit Improvisierter Musik. Es gehört nun einmal zum Wesen der Improvisierten Musik, dass sie suchend ist, dass sie auch mal "durchhängt" und nicht findet - um dann bei umso reicheren, überraschenderen Ergebnissen anzukommen.»
Peter Liechti

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«Die Hauptanstrengung liegt in meinem täglichen Kampf gegen den Impuls, aus allem "Sinn" zu fabrizieren, was den einmal eingeschlagenen Weg rechtfertigt.
Vielleicht kommt man irgendwann an einen Punkt, wo es schlagartig einfach wird, wo das "Echte" keine Anstrengung mehr ist, wo man endlich was SIEHT.» Peter Liechti

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«Seit das Rauchen kein Problem mehr ist, wird mir das Denken zum Problem. Kaum hör' ich auf mit dem Rauchen, fang ich schon an mit dem Denken. Wo früher das Denken gewissermassen limitiert war, da denk' ich heute völlig ungebremst drauflos. Das bedeutet nicht grössere Denkschärfe oder Denktiefe, vielmehr ist es eine Art gedankliches Hyperventilieren. Schon gegen mittag hat sich mein Denken im Grunde erschöpft bei dieser Gedankenraserei - dann geht's aber den ganzen Tag noch weiter.»
Peter Liechti

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Karl Winter ist die Kunstfigur, die ich losschicke, ganz einzutauchen in den Sumpf von Paranoia-City; gebannt habe ich seine Geschichte verfolgt am Monitor des Schneidetisches…
Peter Liechti

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Ich habe schon wochenlang gearbeitet, und es hat nichts dabei herausgeschaut. Das hat mir überhaupt nichts ausgemacht. Ich liebe den Versuch, und der Versuch hat auch die Möglichkeit des Scheiterns in sich - eine grossartige Freiheit! Die Natur manifestiert sich auch wenns misslingt - es will halt so….
Roman Signer

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Berge sind für mich nicht etwas Schönes oder Malerisches - die sind dort einfach, das sind Steinhaufen, die einst aufgestossen oder abgelagert worden sind. Ich möchte das Wort «schön» sogar ganz aus der Natur herauslassen; Natur ist. Ist undurchschaubar, ist faszinierend, ist grausam, ist... ist einfach!

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Scheinbar wahllos werden alte Plattenspieler, Resten elektronischer Spielzeuge, alte Radios, Tonbandgeräte, Sender, Lautsprecher oder Akustikschalter, in einer lockeren Gruppe aufgebaut. Nach Einschalten des Stroms beginnen Andy Guhl und Norbert Möslang mit den Geräten zu spielen, indem sie sie manipulieren, sie einzeln zu- und abschalten, Sender und Empfänger gegeneinander ausspielen. Das Duo ist ständig in Aktion. Dieser optische Reiz der Bewegung der alten Geräte und der Bewegung der Musiker ist ein faszinierendes, spannungsvolles Element in KICK THAT HABIT, wobei es nahezu unmöglich ist, das Hervorbringen bestimmter Töne/Geräusche mit dem Agieren der Künstler zu verbinden, was den Filmemacher Liechti zu einem nicht minder faszinierenden Spiel mit der Imagination des Zuschauers anstiftete.
Ella Kienast

Streaming: Pass:Kick That Habit

Das Haus ist nix. Das Zimmer ist Scheisse. Da will ich bleiben. Ein Fenster zum Hinausschauen hat es ja. An die Hänge hinaus, in die Berge hinauf, auf den Himmel, auf die Wolken hinauf. Schräge Wäge muss man dort hinaufsteigen. Auf die kleinen Leute unten hinabschauen von der Kapelle oben herab. Man kann von dort auch weiter die Hänge hinaufschauen. In die höchsten Berge hinauf kann man da schauen. Auf die Zacken, auf die Spitzen oben, ganz oben. Mit Feldstechern die Täler absaugen. In Bergruh verharren. Stillstand von oben. Alles flach von der höchsten Höhe herab. Unwohl fühlt man sich. Da kommt das Geniessenmüssen. Da kommt das Auskostenmüssen vom Herabschauenkönnen. Die Euphorie sucht man. Man schnappt nach dünner Bergluft. Ich jage meine Gedanken nach unten, doch sie steigen. Ein fieser Auftrieb lässt sie steigen. Dort krepieren sie in der dünnen Bergluft. Der Berg zerstört meine Gedanken. Der Berg macht blöd.

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«Heute ist es doch so: Weltfrieden, Auf - und Abrüstung sind abgedroschene Themen und die Bilder aus TV und Zeitung dazu sind abgedroschene Bilder. Im Bewusstsein dieser Tatsache habe ich mich - nicht ohne Lust - daran gemacht, die längst verbrauchten Bilder vom Genfer Gipfeltreffen zwischen Reagen und Gorbatschow noch einmal ans Licht zu zerren ...» Peter Liechti
Streaming: Pass:Théâtre de l'espérance}

Zur Zeit der Schneeschmelze, wenn die Hügel im Appenzell mit einem Netz von grünen und weissen Flecken überzogen sind, gleiten gefüllte Wassereimer langsam den Hang hinauf und hinab. Schliesslich gerät die sanfte Bewegung in heftiges Schwingen. Schüsse peitschen durch die Luft, die Eimer werden durch löchert.
Streaming: Pass:Tauwetter

«Die Aktionen Roman Signers verstehen sich in ihren Bewegungs- und Handlungsabläufen als Raum/Zeitplastiken. Die Bewegungsrichtungen in den vorliegenden Dokumenten verlaufen ausgesprochen gegensätzlich, und so heisst der Film auch ganz einfach: SENKRECHT / WAAGRECHT.»

Streaming: Pass:Senkrecht - Waagrecht

Peter Liechti

Geboren 1951 in St.Gallen. Matura Typ B. Abgebrochenes Medizinstudium. Diplom für das Höhere Lehramt im Zeichnen, HGKZ. Kunstgeschichte, Universität Zürich. Freie Lehrtätigkeit, Malerei und Zeichnung. Mitbegründung KinoK in St.Gallen. Seit 1986 freier Filmschaffender als Autor, Regisseur, Kameramann und Produzent.

2016 PETER LIECHTI - DEDICATIONS
2013 VATERS GARTEN
2009 THE SOUND OF INSECTS
2006 HARDCORE CHAMBERMUSIC
2004 NAMIBIA CROSSINGS
2003 HANS IM GLÜCK
1997 MARTHAS GARTEN
1996 SIGNERS KOFFER
1990 ROMAN SIGNER, ZÜNDSCHNUR
1990 GRIMSEL
1989 KICK THAT HABIT
1987 TAUWETTER
1987 THEATRE DE L'ESPERANCE
1987 Drei Kunsteditionen zu Roman Signer
1986 AUSFLUG INS GEBIRG
1985 SENKRECHT, WAAGRECHT
1984 SOMMERHÜGEL

Website Peter Liechti

«Es wird mir fehlen, Peter zu etwas befragen zu können. Nicht nur über die Dinge der Kunst, auch über die Dinge des Lebens.»
Tania Stöcklin

«Man musste ihm nicht viel erklären. Er hat alles verstanden. Es ist tragisch, dass er auf dem Höhepunkt seines filmischen Schaffens gehen musste.»
Roman Signer

«Bildmächtig und sprachgewaltig: Mit Peter Liechti hat der Schweizer Film seinen eigenwilligsten Kopf verloren.
Ein weltläufiger Provinzler, der aus der Beschränkung im Kleinen wie beiläufig die Grenzen sprengte. Beim Filmen setze er auf den Zufall statt auf Konzentration, so erklärte er einmal seine Methode. Er sei halt ein Abschweifer, aber das war nicht halb so entschuldigend gemeint, wie es vielleicht klingen mochte. Die Abschweifung war bei ihm immer die erste Etappe auf dem Weg zur Verdichtung.»
Florian Keller, WOZ

«Am Freitagabend ist Peter Liechti im Alter von 63 Jahren in Zürich gestorben. In jüngerer Zeit auch hierzulande vielfach geehrt, hinterlässt er das bedeutendste filmkünstlerische Œuvre der Schweiz der letzten zwanzig Jahre. In welchen Garten immer Peter Liechti nun eingegangen sein mag, seinen eigenen, filmischen hienieden hat er sorgsam bestellt. An uns nun, die raren Arten darin zu erkennen und dabei der Wirklichkeit als ein Spiel zu begegnen, das den Tod ebenso in der Kunst aufzuheben trachtet, wie es ihm entschlossen ins Angesicht blickt.»
Christoph Egger, NZZ

«Peter Liechti hat seine Filme nicht gemacht, um Botschaften zu verkünden oder um fertige Geschichten zu erzählen. Für ihn war der Film das Medium, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Oft ganz wörtlich, zum Beispiel mit HANS IM GLÜCK von 2003. Da wanderte der Filmemacher mit der Kamera als Geh-Hilfe im Gepäck durch die Schweizer Landschaft und versuchte dabei und damit, sich das Rauchen abzugewöhnen. Die Wanderung mit ihren Begegnungen und Reflexionen wurde zu viel mehr als dem dokumentarischen Protokoll einer Selbstsuche: HANS IM GLÜCK war Essay, Spiel, Parodie und Generationenspiegel zugleich, ein exemplarisch schweizerischer Film.
Kunstvoll, eigenwillig, experimentell – will man Peter Liechtis filmisches Werk beschreiben, scheinen alle Wörter, die einem dazu einfallen, unzureichend. Liechti filmte, was ihn persönlich umtrieb und interessierte – er schuf daraus Kunstwerke für die Leinwand. Seine Filme entziehen sich den klassischen Zuschreibungen: Dokumentar- oder Spielfilm, das mochte Liechti nie völlig unterscheiden bei seiner Arbeit.»
Michael Sennhauser



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