Bill - das absolute Augenmass

Semaine de la Critique Locarno 2008

Bill - das absolute Augenmass
CH 2008 90'

Regie: Erich Schmid
Drehbuch: Erich Schmid
Kamera: Ueli Nüesch
Ton: Antoine Boissonnas, Florian Eidenbenz, Dieter Meyer
Schnitt: Antoine Boissonnas
Musik: André Bellmont
Produktion: Ariadnefilm

Erich Schmid 2008 90'

Der Film über Max Bill (1908-1994) bewegt sich durch und durch im Spannungsfeld zwischen Kunst, Ästhetik und Politik. Max Bill war der wohl bedeutendste Schweizer Künstler des 20. Jahrhunderts und der berühmteste Student, der aus dem legendären Bauhaus in Dessau hervorgegangen war. Er war ein Antifaschist der ersten Stunde, und sein ganzes avantgardistisches Werk als Maler, Bildhauer, Architekt und Typograf trägt bis zum Schluss Züge von einer sozialer Verantwortung und einem Umweltbewusstsein, das inzwischen eine geradezu unheimliche Aktualität erhalten hat.

"Der Dokumentarfilm folgt dem Grundsatz, die Dinge einfach darzustellen, je komplexer sie sind, und spiegelt damit die Prämisse von Bills Kunstverständnis, wenigstens dort die Zusammenhänge begreiflich zu machen, wo dies möglich ist."
Bündner Tagblatt

"Langsam fährt die Kamera im Kreis. Sie dreht sich in einer fließenden Bewegung um eine Skulptur Max Bills. Mit jedem Grad verschobenen Blickwinkels erscheinen die Granitskulpturen neu und versetzen einen mit ihrer schlichten Schönheit in Staunen. Erich Schmid, der 1998 die Bill- Witwe Angela Thomas geheiratet hat und mit ihr in des Künstlers Atelierhaus wohnt, bildet anlässlich Max Bills 100. Geburtstag dessen Leben und Kunst auf sehr liebevolle Weise ab: Bauhaus-Schüler, Antifaschist, Gestalter und Rektor der Hochschule für Gestaltung in Ulm, Maler, Bildhauer, Architekt, Typograf – in den Facetten des Schweizer Künstlers spiegelt sich auch die (kunst-)geschichtliche Entwicklung des 20. Jahrhunderts. So ist Schmids Film auch für Kunstlaien eine große Bereicherung. Lehrreich."
Lydia Brakebusch, Der Tagesspiegel

"Der Film DAS ABSOLUTE AUGENMASS zeigt nicht nur das unglaublich produktive und kreative Werk Bills. Er vermittelt gerade durch den Wechsel von ruhigen, klavierbegleiteten Architektur- und Skulpturaufnahmen seiner Werke und durch seine eigenen Statements über dieselben als auch über seine Sicht, die Dinge zu sehen, das Bild eines Menschen, der zu all seinen Lebensphasen – vom lernwilligen Bauhausstudenten bis hin zum weltberühmten Künstler – keine Allüren, keine selbstdarstellerischen Zwänge aufkommen liess."
Georgios Kontos, deutscher werkbund hessen

"Der 61jährige Zumiker Journalist, Regisseur und Autor (...) spricht aus Erfahrung und fühlt sich so mit Max Bill verwandt. Beide kennen ihn, den Willen seinen Weg konsequent weiterzugehen und durch Ausdauer ans Ziel zu kommen. Auch deshalb ist ihm vermutlich der Film über Bill gelungen, der nicht von objektiver Distanz geprägt ist, sondern von der Nähe zum Künstler lebt."
Bieler Tagblatt

"Erich Schmid verliert jedoch neben dem opulenten Oeuvre der Hauptfigur deren weiteres Leben nie aus den Augen. Viele private Aufnahmen zeigen Bill als Mensch, der relativ spartanisch lebte und der persönliche Schicksalsschläge in seiner Kunst verarbeitete. Aus negativer Kraft positive machen - dass ist eine Quintessenz des Films, der faszinierend eine Person zeigt, die sich in gewissen Charakterzügen erfrischend unschweizerisch gab."
outnow.ch

Ein Künstlerleben

In einem Bahnhofshaus in Winterthur ist Max Bill ab 1908 aufgewachsen. Mitten in der verwirrenden Ordnung von Gleisen, Oberspannleitungen und Schwellen. Er beobachtet, wie sich die Parallelen der Schienen am Horizont vereinen, lauscht den Rhythmen fahrender Züge. Fernweh und Fahrpläne, ein Gefühl für Unendlichkeit und Genauigkeit vermittelt dieses Zuhause. Und Weltpolitik: Denn Winterthur passieren auch Züge mit verletzten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Eine prägende Zeit. Auch eine schwere, denn Bills Eltern waren kleine Leute und verfrachteten ihren Jungen, da war er kaum 15 Jahre alt, in ein Erziehungsheim. Er hatte am Kiosk ein Comic-Heftchen gestohlen – und sich somit als schwer erziehbar erwiesen.

Max Bill hätte nun untergehen können, doch ein Onkel schenkt ihm einen Malkasten und Bills Karriere als künstlerisches Multitalent beginnt. Er beginnt 1927 im Dessauer Bauhaus zu studieren, wird Architekt, Maler, Grafiker und Bildhauer und trägt den Geist der durch die Nazis als entartet deklarierten Kunst der Bauhausbewegung viele Jahre später in die Ulmer Hochschule für Gestaltung – als deren Erbauer und Rektor. Lang dauerte Bills Ära dort leider nicht. Kleingeister und reaktionäres Denken durchkreuzen einmal mehr seine Pläne. Doch Scheitern sieht der Künstler stets als Chance und schöpft selbst aus körperlichen Verletzungen kreatives Potential.

MAX BILL -DAS ABSOLUTE AUGENMASS kommt zum 100. Geburtstag des großen Schweizers in die Kinos. Sechs Jahre lang hat Erich Schmid sich durch Bills Werk und Leben gewühlt, Freunde und Zeitzeugen befragt, Doku-Material aus verschiedenen Epochen ausgewählt und zu einem gründlichen Porträt dieses spannenden Künstlers verbunden. Max Bills zweite Ehefrau, die Kunsthistorikerin Angela Thomas, seit einigen Jahren mit dem Filmemacher verheiratet, nutzt die Chance, Max Bills Denken zu vermitteln. So stehen hier nicht nur Werdegang und das künstlerische Werk im Fokus, sondern auch Bills Gestaltungsprinzipien, seine Haltung zur Kunst wie sein enormes politisches und soziales Engagement: Bill war nicht nur Antifaschist der ersten Stunde, sondern setzte sich schon Ende der 1960er-Jahre für den verantwortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt ein. Als Max Bill 1994 am Flughafen Tegel in Berlin stirbt, hinterlässt er viel. Darunter eine gigantische Schleife aus Granit, ein Symbol für die Unendlichkeit – mit vielen reizvollen Perspektiven.

Cristina Moles Kaupp, Bundeszentrale für politische Bildung



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